Brief an die Aktionäre


Ismaning, 11. Juli 2003

Liebe Aktionärinnen und Aktionäre,

im bisherigen Jahresverlauf 2003 und auch in den letzten Monaten des vergangenen Jahres hat sich bei Intertainment viel getan. Zudem stehen für uns einige sehr wichtige Monate bevor. Gerne will ich deshalb die heute erfolgte Bekanntgabe der Geschäftszahlen für das Jahr 2002 und das erste Quartal 2003 dazu nutzen, Sie im Rahmen eines Aktionärsbriefs ausführlich über den Stand der Dinge bei Intertainment zu informieren.

Mit am meisten dürfte Sie sicher das Verfahren gegen unseren ehemaligen Kooperationspartner, den US-Filmproduzenten Franchise Pictures, interessieren. Seit kurzem steht endgültig fest, dass die Hauptverhandlung am 5. August startet. Der Prozess ist insgesamt auf 16 Verhandlungstage angesetzt und wird nach dem aktuellen Zeitplan Anfang September enden. Dies hat die zuständige Richterin im Rahmen einer dem eigentlichen Gerichtsprozess vorgelagerten sogenannten "Pretrial-Conference" entschieden. Dabei verwarf sie die Versuche der Franchise-Anwälte, den im November vergangenen Jahres schon einmal verschobenen Verhandlungsbeginn noch weiter nach hinten zu verlegen.
Wir selbst sind über die Entscheidung sehr erfreut. Denn immerhin blockiert der Fall Franchise Intertainment nun schon seit dem Jahr 2000. Wir wollen ihn endlich vom Tisch haben.

Wie Sie wahrscheinlich wissen, haben wir Franchise im Dezember 2000 vor dem Federal District Court in Los Angeles wegen Budgetbetrugs verklagt. Franchise hat uns bei gemeinsamen Filmen weit überhöhte Budgets in Rechnung gestellt und uns dadurch konkret einen Schaden in Höhe von mindestens 100 Millionen Dollar zugefügt. Auf diese Höhe lautet auch unsere Klage.

Darüber hinaus ist es uns im Mai 2002 gelungen, zwei sogenannte RICO-Claims vor Gericht durchzubringen. Bei den RICO-Claims handelt es sich um eine Besonderheit der amerikanischen Gesetzgebung, die den Opfern organisierter Kriminalität die dreifache Schadensersatzsumme und die Erstattung der Anwaltskosten zubilligt. Damit hat sich das Volumen des Rechtstreits auf über 300 Millionen Dollar erhöht.
Auch wenn wir Ihnen aufgrund per Gericht verfügter Vertraulichkeits-Klauseln wesentliche Beweise nicht mitteilen dürfen, so sprechen doch auch einige der bislang bereits veröffentlichten bzw. veröffentlichbaren Tatsachen eine deutliche Sprache:

So hat das für das Verfahren zuständige Gericht im November 2002 entschieden, dass es von Franchise angesetzte Budgetpositionen nicht gegeben hat. Franchise selbst hat darüber hinaus in der Vergangenheit nachträglich selbst die Budgets einiger der umstrittenen Filme nach unten korrigiert - und uns diese neuen Budgetansätze auch zugestellt. Diese waren unseres Erachtens immer noch überhöht, aber allein aus den nach unten korrigierten Budgets hätten wir bereits einen Rückzahlungsanspruch. Darüber hinaus hat selbst Elie Samaha, der CEO von Franchise, im Vorfeld des Prozesses öffentlich zugegeben, mit unterschiedlichen Budgets gearbeitet zu haben.

Angesichts der Anwesenheit der Vorstandsmitglieder von Intertainment bei dem Verfahren ergibt sich die Notwendigkeit, unsere Hauptversammlung auf einen Zeitpunkt nach der Urteilsverkündung zu verschieben. Sie wird nicht wie bislang geplant am 28. August stattfinden, sondern erst am 22. September.

Wenn Sie den Fall Franchise in der Vergangenheit mit verfolgt haben, dann wissen Sie, dass der Betrug nur durch das Zusammenspiel von Franchise mit seinen Partnern funktionieren konnte. Diese Partner waren die Comerica Bank sowie die Versicherungsgesellschaften World Wide Film Completion sowie Film Finances.

Im Dezember vergangenen Jahres haben wir die Comerica Bank und die anderen Beteiligten verklagt. Wir fühlen uns in der Klage dadurch bestärkt, dass eine der zugelassenen RICO-Claims davon ausgeht, dass Franchise, Comerica und WorldWide Film Completion eine kriminelle Vereinigung mit einer einheitlichen Entscheidungsstruktur gebildet hatten, um Intertainment zu schädigen. Insofern hätte ein Urteil gegen Franchise unseres Erachtens auch eine präjudizierende Wirkung für den Prozess gegen die Comerica Bank und die Versicherungsgesellschaften.

Ich bitte Sie im Zusammenhang mit dem Franchise-Komplex auch um Verständnis dafür, dass Sie so lange auf unsere Geschäftszahlen für 2002 warten mussten. Wir waren einfach gezwungen, wichtige Sachverhalte, die Einfluss auf die Werthaltigkeit der Bilanzansätze hatten, noch abschließend zu klären.

2002 selbst war für uns ein Jahr des Übergangs mit ersten wesentlichen Schritten im Rahmen eines Turn Arounds von Intertainment. Im operativen Bereich ging es dabei vor allem um zwei Punkte: Zum einen haben wir die Filme fertig ausgewertet, die wir von Franchise erhalten hatten, bevor wir den Betrug bemerkten. Zum anderen haben wir daran gearbeitet, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir 2003 mit einem neuen Kinofilm auf den Markt kommen können, mit dem wir die Umsatzausfälle durch die auslaufende Auswertung der Franchise-Filme kompensieren können. Auf finanzieller Ebene galt es, die hohen Verluste der Vergangenheit deutlich zu reduzieren, um die Voraussetzungen für eine erfolgreichere Zukunft von Intertainment zu schaffen. Wir haben unsere Ziele weitgehend erreicht.

Unser Umsatz ist 2002 von 31,3 Millionen Euro auf 19,0 Millionen Euro gefallen. Dabei wurden die Rückgänge im Filmlizenzgeschäft zumindest etwas von einer sehr erfreulichen Entwicklung im Merchandising-Bereich kompensiert. So fielen die Erlöse im Filmrechtehandel von 28,4 Millionen Euro auf 14,5 Millionen Euro. Der Merchandising-Bereich legte dagegen von 2,8 Millionen Euro auf 4,5 Millionen Euro zu.

Beim Ergebnis haben wir wesentlich besser als im Jahr 2001 abgeschnitten. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass wir wie erwartet die außergewöhnlichen Belastungen im Rahmen des Franchise-Komplexes erheblich verringern konnten. 2001 mussten wir noch außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 142,4 Millionen Euro und ein außerordentliches Ergebnis in Höhe von -88,9 Millionen Euro verkraften. 2002 lag das außerordentliche Ergebnis dagegen nur noch bei -3,3 Millionen Euro. Insgesamt verbesserten wir das EBIT von -100,2 Millionen Euro auf -16,1 Millionen Euro. Beim Jahresfehlbetrag stehen 86,8 Millionen Euro aus dem Vorjahr einem Verlust von 16,1 Millionen Euro in 2002 gegenüber. Unser Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ist von -6 auf -13,7 Millionen Euro abgerutscht. Dies ist vor allem auf hohe Abschreibungen auf das Filmvermögen zurückzuführen.

Lassen Sie mich auch noch kurz auf unsere Zahlen für das erste Quartal 2003 eingehen. Hier können Sie endgültig sehen, dass die erste Auswertungsperiode der Franchise-Filme so gut wie abgeschlossen ist: Unser Umsatz hat sich von 2,5 Millionen Euro im ersten Quartal 2001 auf 0,7 Millionen Euro reduziert. Es ist uns trotzdem gelungen, das Ergebnis zu verbessern: Der Periodenfehlbetrag lag bei 2,8 Millionen Euro, nach einem Minus von 3,7 Millionen Euro im vergleichbaren Vorjahresquartal.

Angesichts der Umsätze ist es um so wichtiger, dass unsere Kooperation mit dem amerikanischen Produzenten Arnold Kopelson jetzt ein erstes Ergebnis bringt. Konkret handelt es sich dabei um den Thriller "Blackout". Er ist eine Gemeinschaftsproduktion von Intertainment, Paramount Pictures und Kopelson. Paramount hält die nordamerikanischen Verwertungsrechte an dem Film, wir sämtliche anderen weltweiten. Die Hauptrollen sind mit Samuel L. Jackson besetzt - er spielte beispielsweise auch eine der Hauptrollen in Pulp Fiction - mit Ashley Judd und mit Andy Garcia. Wir haben 2002 intensiv an dem Film gearbeitet und ihn abgedreht. Inzwischen haben wir die Postproduktion beendet.

Es ist unser Ziel, gemeinsam mit Kopelson qualitativ hochwertige Mainstream-Filme zu entwickeln und zu produzieren. Wir sind davon überzeugt, dass uns das mit "Blackout" gelungen ist.

Um die Risiken zu reduzieren, die aus so teuren Filmprojekten resultieren, verfolgen wir bei allen Produktionen mit Kopelson die Strategie, einen Teil der Territorialrechte vorab zu verkaufen. Wir hatten deshalb bereits 2002 mit den Pre-Sales für "Blackout" begonnen und sie in diesem Jahr fortgesetzt. Sie sind sehr erfolgreich gelaufen. Deshalb steht bereits jetzt fest, dass wir trotz des geringen Umsatzes im ersten Quartal im Gesamtjahr wesentlich höhere Umsätze erzielen werden als 2002. Als Hintergrund dazu: Die Pre-Sales werden mit der Auslieferung eines Films umsatzrelevant.

Neben der Produktion von "Blackout" haben wir im vergangenen Jahr zusammen mit Arnold Kopelson zudem intensiv an der Entwicklung weiterer Filmstoffe gearbeitet. Diese Arbeit haben wir im bisherigen Verlauf dieses Jahres fortgesetzt.

Darüber hinaus haben wir vor wenigen Tagen eine strategische Partnerschaft mit OpenPictures geschlossen. Sie soll insbesondere zur Stärkung unseres operativen Geschäfts dienen. Bei OpenPictures handelt es sich um ein vergleichsweise junges Münchener Medienunternehmen, das sich in der Branche bereits Renommee erworben hat und über sehr gute Kontakte innerhalb der Film- und der Finanzwirtschaft verfügt.

Konkret umfasst die Partnerschaft folgende wesentliche Punkte:

Intertainment und OpenPictures beabsichtigen, gemeinsam internationale Spielfilme zu finanzieren und zu vertreiben. Denkbar ist, dass OpenPictures sich bereits an den Filmen von uns beteiligt, die sich schon im Entwicklungsstadium befinden. Es ist auch denkbar, dass sich Intertainment umgekehrt an Filmprojekten von OpenPictures beteiligt. Damit würden wir unser Produktportfolio vergrößern und unsere Risiken diversifizieren.

Intertainment hat OpenPictures darüber hinaus das Recht eingeräumt, für zunächst sieben Jahre ausgewählte Filme aus der Intertainment-Bibliothek im deutschsprachigen Raum zu vermarkten. Dabei wird OpenPictures insbesondere die Free- und Pay-TV-Rechte dieser Filme verkaufen.

Unabhängig von der operativen Zusammenarbeit besteht für OpenPictures die Möglichkeit, sich nach Zustimmung durch Intertainment an den Kosten unserer Schadensersatzprozesse gegen Franchise Pictures und gegen andere in den Betrug von Franchise Involvierte zu beteiligen. Es gibt für uns zur Zeit keinen Grund, die Prozessfinanzierung aus der Hand zu geben, aber für die weiteren Verfahren ist es gut, hier mit OpenPictures einen starken Partner im Hintergrund zu haben.

Und schließlich kann unsere strategische Partnerschaft bis hin zu einer strategischen Beteiligung von OpenPictures an Intertainment führen.


Mit freundlichen Grüßen

Rüdiger Baeres
Vorstandsvorsitzender

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